Body Bilder. Körperbilder, aber auch Körper, die gebildet und konstruiert werden. Von uns selbst, von unserem sozialen Umfeld, von Medien und Gesellschaft. Wir formen Körper nicht nur durch die Entscheidung für oder gegen das Trainieren bestimmter Muskelgruppen: Wir formen unser Selbstbild und unsere Ideale über unsere Wahrnehmung des eigenen und uns umgebender Körper. Wir sind Formende und Geformte zugleich.
Ich bin in meine theoretische Arbeit gestartet mit der Fragestellung, ob und unter welchen Umständen sich in unserer Gesellschaft eine Ästhetik etablieren lässt, die geschlechtervielfältig ist, und welche Auswirkungen bestehende Geschlechterkategorien auf unsere Wahrnehmung von Körpern haben. Um diesen Fragen wissenschaftlich wie künstlerisch beizukommen, habe ich mich zunächst damit beschäftigt, warum wir eigentlich Dinge schön finden und warum wir bestimmte Formen nur an als männlich bzw. weiblich gelesenen Körpern als schön wahrnehmen. Der menschliche Dimorphismus, das heißt die Zweigestaltigkeit der Geschlechter, entstand laut Darwin im Laufe der Evolution, um durch die Ausprägung bestimmter phänotypischer Merkmale als Signal einer erhöhten Fruchtbarkeit den Reproduktionserfolg zu erhöhen. Damit diese Signale gelesen und präferiert werden konnten, entwickelte sich parallel dazu die menschliche Fähigkeit zur Bevorzugung neuer Reize. Die Entwicklung eines ästhetischen Sinnes war dementsprechend essenziell für das Fortbestehen einer Population.
Dem Literaturwissenschaftler Winfried Menninghaus zufolge lebt der Mensch zugleich in einer historisch-kulturellen und einer evolutionären Zeit, die durch die wachsende Intelligenz des Menschen und die damit verbundene Erfindung von Werkzeugen und Kultur voneinander distanziert wurden: Durch den Entfall einer Anpassungsnotwendigkeit entstand so ein evolutionärer Stillstand der Entwicklung körperlicher Merkmale. Diese Fixierung der Zeiger der evolutionären Uhr hat allerdings den Nachteil, dass sie sich auch dann nicht weiterbewegen, wenn die kulturelle Evolution sie überholt. Eine biologische Angleichung der Körper an unsere heutige Lebenssituation kann sich unter diesen Voraussetzungen nicht herausbilden.
Was sich jedoch verändern kann, ist unsere Interpretation und Adressierung von Körpern. Die Konstruktion der Geschlechter durch die Gesellschaft und das direkte soziale Umfeld zeigen die Feministinnen und Autorinnen Simone de Beauvoir und Judith Butler auf. Simone de Beauvoir befasste sich bereits 1949 mit dem vermeintlich naturgegebenen Weiblichkeitsbegriff und enttarnte ihn als menschengemachtes Produkt. Damit kappte sie die biologisch begründete Verbindung von Rolle und Körper und legte mit ihrer Differenzierung zwischen empfundener und dem Körper zugeschriebener Geschlechtlichkeit den Grundstein für die spätere Unterscheidung zwischen biologischem und sozialem Geschlecht.
Auf der körperlichen Ebene grenzt de Beauvoir den wissenschaftlich betrachteten Objekt-Körper als künstliches Produkt von einem durch das Individuum tatsächlich erlebten Körper ab. Dieses Erleben verankert den Körper in der Realität, er wird durch sich selbst und sein soziales Umfeld geprägt, kategorisiert und bewertet. Wir treffen ästhetische Entscheidungen aus dem eigenen Körper heraus; jeder Mensch beschaut sich selbst und sein Umfeld durch die eigenen Augen. Das soziale Umfeld verändert sich wiederum über die Beurteilungen seiner Mitglieder.
Dass nicht nur die Geschlechterbegriffe, sondern auch der Körper als solcher ein gesellschaftliches und zugleich politisches Konstrukt darstellt, postuliert die Philosophin Judith Butler. Ihr zufolge erlangt der Körper erst in dem Moment seine Menschlichkeit, in dem sein Geschlecht adressiert wird. Hier führt sie die elterliche Frage an, ob das un- oder neugeborene Kind ein Mädchen oder ein Junge sei. Die Krux besteht in diesem Fall darin, dass hier vom phänotypischen Geschlecht des Kindes auf dessen Geschlechtsidentität geschlossen wird. Damit wird sie dem Körper von außen zugeschrieben und beeinflusst fortan maßgeblich dessen Entwicklung. Wir entwickeln unsere Geschlechtsidentität damit im Lauf unseres Lebens aus einem vorgeprägten Körper heraus und in einem vorgeprägten Umfeld, was die Findung der selbst empfundenen Identität und die Einordnung unserer Mitmenschen beeinträchtigt.
an alle Fotografierten:
Sebastian Abarbanell, Yannis Brissot, Elena Cattardico, Mei Chen, Mirko Ingrao,
Ruben Alexander Landrichter, Selene Martello, Raquel Maria Nevado Ramos,
Eleonora Pennacchini, Emanuele Senese, Philipp Werner und Dario Wilmington
Photos by Nora Kirschmeier
from the Photo Installation with Guido Markowitz´ Ballet "The Four Seasons"
Collaboration with Theater Pforzheim and Schmuckmuseum Pforzheim
in the pictures: Alba Valenciano Lopez, Abraham Iglesias, Selene Martello, Elias Bäckebjörk, Yannis Brissot, Alex Ferro, Fabienne Deesker, Bae Hyeon Woo, Mariana Filipa Romao, Mei Chen, Soraya Leila Emery, Dario Wilmington, Stella Covi, Willer Goncales Rocha, Eleonora Pennacchini
Photos by Max Nehlich
Art Direction: Adriano Schaich, Sophia Mohr, Nora Kirschmeier
Parachute piece: Nora Kirschmeier
Model: Evelin Lerich
Photos, Piece & Art Direction by Nora Kirschmeier
Model: Alba Valenciano Lopez
Photo 1, 5 & 6 by Sophia Klara Mohr
Photos 2-4 by Nora Kirschmeier
Models: Johannes Blattner, Nora Kirschmeier
Art Direction: Nora Kirschmeier
Photos by Nora Kirschmeier
Art Direction: Nora Kirschmeier
Dancer: Laura Albrecht
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